„One Rolex with two eggs and chapati, please!” Ich stehe wie üblich an einem kleinen Stand am Straßenrand und warte auf mein Mittagessen. Zwei Eier mit Zwiebel und Tomate, eingewickelt in zwei Chapati (eine Art Wrap). Klingt simpel, ist es auch – aber echt lecker. Mein Blick streift die nahe gelegene Schule. Die Kinder spielen Fußball, Fangen oder plaudern im Schatten. Plötzlich sieht jemand an meinem Pulli. Es ist ein kleiner Bub. Er trägt die Schuluniform der Schule, schaut mich erwartungsvoll an. Seine Hand ist ausgestreckt, der Arm leicht angewinkelt und die Handfläche nach oben gedreht. Er will Geld. „Muzungu! Muzungu!“ ruft er.
Dieses Wort, Muzungu, Weiße oder Weißer, verfolgt mich in Uganda ständig. In den großen Städten hört man es seltener. Dort gibt es Touristen. Aber hier? Auf Bugala Island, einer Insel im Victoriasee, hören wir Volunteers das Wort täglich. Egal ob am Weg zur Arbeit oder in der Freizeit. Kinder winken einem zu, schauen überrascht oder lachen verschmitzt. Geht es an einer Schule vorbei, oder Gott behüte in eine Schule hinein, ist man Mittelpunkt des Geschehens. Die weiße Hautfarbe ist hier etwas Besonderes. Sie ist selten. Sie verkörpert Reichtum und Überlegenheit. Auch wenn man das nicht will…
Auf der einen Seite ist es verständlich: Weiße sind hier verdammt rar. Meist kommen sie auf die Insel und ziehen sich sofort in ihre Luxus-Ressorts zurück. Dort verweilen sie dann und lassen sich in europäischem Flair von der starken Äquator-Sonne bräunen. Vom Leben außerhalb bekommen sie nichts mit. Die Holzhütten der Fischer sind schnell vergessen. Es ist eine Seltenheit, wenn es dann trotzdem mal ein:e Weiße:r in den Ortskern schafft. Und dann habe ich mich auch schon dabei erwischt zu denken: Oh, wow! Ein/Eine Muzungu!
Doch die andere Seite, ist geprägt von Kolonialismus, einer strikten Hierarchie und der damit verbundenen Unterwürfigkeit. Bis zur Unabhängigkeit hat die dunkelhäutige Bevölkerung gelernt: Weiße sind toll, reich und können alles besser. Das Gelernte wurde verinnerlicht und kleine Veränderungen gibt es erst in den letzten Jahren. Doch auch wenn es besser wird, ist diese Hierarchie so verinnerlicht und weit verbreitet, dass sie nicht einfach so weggeht.
Wenn ich auf unsere Bbanga-Farm komme, wird mein Rat zum Bau des neuen Gewächshauses eingeholt. „Mister Engineer!“ oder „Is that good, will it work?“ – dass ich nicht annähernd etwas mit Bauingenieurwesen oder Ähnlichem zu tun habe, tut nichts zur Sache. Schließlich bin ich weiß. Ich muss es ja wissen.
Von solchen und ähnlichen Erlebnissen könnte ich zuhauf erzählen. Es ist erschreckend, wie stark der Kolonialismus heute noch präsent ist. Egal ob bei Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen: die Hierarchie ist klar. Und lässt sich so schnell nicht ändern. Wer versucht mit einem Gespräch das Ganze aufzulösen, scheitert zumeist. Zu festgefahren, zu verinnerlicht und weit verbreitet ist es. Für Veränderung benötigt es eine neue Einstellung. Ein neues Selbstverständnis. Und zwar von beiden Seiten.
Uns Weißen, uns Muzungus, uns muss klar sein, dass unser Reichtum auf dem Rücken anderer erbaut ist. Der Kolonialismus war einer der wichtigsten Faktoren für den Aufstieg des globalen Nordens. Das hat eine Hierarchie geschaffen, die wir akzeptieren müssen. Unsere Aufgabe ist es jetzt, sie aufzubrechen. Aktiv gegen eine Stilisierung zu arbeiten. Aktiv auf Augenhöhe zu agieren. Kommunikation, Arbeiten, ja leben auf Augenhöhe.